Stellungnahme zur Einladung Peter Singers
Tierrechte spielen in der Philosophie und Ethik zusehends eine bedeutendere Rolle. Nicht nur, weil inzwischen wissenschaftlich bestätigt wurde, dass alle anderen höheren Wirbeltiere genau wie wir Schmerz, Leid und geistige Unterforderung empfinden können. Diese Erkenntnis macht viele Praktiken innerhalb der Tierindustrie, wie beispielsweise irreführende Angaben bei der Definition von Käfighaltung oder die betäubungslose Kastration von Ferkeln ethisch nicht mehr vertretbar. Dies gilt in gleichem Maße für das seit Jahren stattfindende Hinauszögern der Illegalisierung dieser Praktiken durch den Gesetzgeber, was zumindest den Verdacht nährt, dass dabei nach wie vor ein Schutz der Geschäftsmodelle landwirtschaftlicher Großbetriebe im Vordergrund steht.
Ebenfalls hat sich auch unser Verständnis von Intelligenz in den letzten Jahren massiv geändert, so dass zumindest vereinfachte Formen der Grundrechte etwa für Menschenaffen zu erwägen sind, um beispielsweise die Orang-Utans effektiv vor Landraub und Ermordung durch die Palmölindustrie zu schützen.
Der Diskurs um Tierrechte darf als spannender Schauplatz gelten, da sich die Menschen angesichts der bedrohlich voranschreitenden Zerstörung der eigenen Umwelt, die letztendlich nichts anderes als eine Zerstörung der eigenen Lebensgrundlage ist, vom ideologischen Zerrbild, »die Krone der Schöpfung« zu sein und sich diese Schöpfung untertan zu machen, verabschieden müssen.
Doch stellt sich für uns als Projektbereich durchaus die berechtigte Frage, warum man hierzu ausgerechnet einen Eugeniker wie Peter Singer an die Universität holt, dessen Standpunkt jenseits der Tierrechte menschliches Leben einem Utilitarismus unterordnet, der wieder von lebensunwertem Leben spricht; und das speziell bei Menschen mit Beeinträchtigung.
Peter Singer kommt aber keineswegs in der Gestalt des sonst hierzulande oft anzutreffenden Verfechters einer sogenannten »Leistungsgesellschaft« daher, der überall nur unnütze Esser sieht, die für die sogenannten »Leistungsträger« der Gesellschaft unbotmäßige Belastungen darstellen, und deshalb schädlich für die Gesellschaft insgesamt seien. Peter Singer geriert sich stattdessen als großherziger Sterbehelfer, der es nicht ertragen kann, wie Menschen mit Beeinträchtigungen an einem Leben mit Einschränkungen »leiden« müssen, weshalb sich bei ihm zu Recht viele Menschen an die Euthanasieprogramme des deutschen Gesundheitswesens während der NS-Zeit erinnert fühlen.
Zwar wird von Peter Singer kein explizites Eugenik- oder Euthanasieprogramm eingefordert, wie dies in der Deutschen Geschichte etwa mit der Aktion T4 bestanden hat. Eine Diskriminierung von Gruppen besteht jedoch nicht erst mit dem Auftreten oder der Etablierung eines solchen Programms der Auslese.
Die Einladung einer Person mit solch existentiell behindertenfeindlichen Ansichten stößt deshalb auch besonders bei den Kommiliton*innen unter uns auf Unverständnis, die mit ihrer Beeinträchtigung den strukturellen Aussortierungsprozessen innerhalb des deutschen Schulsystems zum Trotz ihre Hochschulreife erlangt haben. Während Studierende mit Kindern sich wiederum bei Singers (postnatalen) Abtreibungsempfehlungen plötzlich mit der Frage konfrontiert sehen, ob bei einer Beeinträchtigung des eigenen Kindes dessen Recht auf Leben ebenfalls in Abrede gestellt wäre. Über einen solchen Argumenatitionsansatz kann auf Eltern noch mehr struktureller Druck von der uns umgebenden Nützlichkeits- und Mehrwertsgesellschaft ausgeübt werden, dass sie bereits beim leisesten Anzeichen einer möglichen Beeinträchtigung in jedem Fall abtreiben, um nicht nur den »Leistungsträgern« wegen der Mehrkosten für die Gesellschaft kein „Ungemach“ zu bereiten, sondern auch, um ihrem zukünftigen Kind »unnötiges Leid« zu ersparen.
Der Projektbereich „Eine Welt“ steht daher der Einladung Peter Singers ablehnend gegenüber und bittet darum bei der Auswahl von Gastredner*innen künftig besser darauf zu achten, dass seitens dieser keine Ansichten vertreten werden, die Diskriminierungen ermöglichen.
Mach mit:
Während der dunklen Zeit nach Vereinbarung.
Projektbereich Eine Welt
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